Stehen wir vor einem

Jahrtausendwinter?


Die vergangenen zwei Jahre waren von einer Reihe negativer Witterungseinflüsse auf den Ertrag der Obstbauern geprägt. Winter mit extremen Temperaturstürzen, außergewöhnlich lang anhaltende Frostperioden, eine kühle Witterung zur Zeit der Blüte, lang anhaltende Hitzeperioden im Sommer, nachfolgende Perioden mit hohen Niederschlägen...; schnell werden Begründungen wie Klimawandel, Treibhauseffekt gefunden

In den letzten Tagen mehren sich nun Nachrichten in der Tagespresse und im Internet von einem bevorstehenden Jahrtausendwinter.

Vor diesem Hintergrund wurden zwei Experten, ein Agrarmeteorologe und ein Obstbauspezialist, um deren Meinung befragt.

Die Frage an den Wetterexperten, wie er die derzeitigen Nachrichten beurteilt, beantwortete dieser wie folgt:

„Ich erinnere mich an den sehr heißen Sommer 2003, da titelte die Bild-Zeitung: der Äquator hat sich um 5 bis 10° nach Norden verschoben. Die gegenwärtige Diskussion um den "Jahrtausendwinter" hat ähnliche Qualitäten. Rein statistisch muss man natürlich mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 1000 mit einem Jahrtausendwinter rechnen, so dass man das nie 100%ig ausschließen kann.

Zu den Fakten: Es ist richtig, dass der mittlere Nordatlantik derzeit niedrigere Wassertemperaturen aufweist als im langjährigen Mittel, was möglicherweise auf einen zurzeit schwächeren Golfstrom zurück-zuführen sein kann. Genau so war es aber auch schon vor einem Jahr und der folgende Winter war zwar mäßig kalt und sehr schneereich, aber reichte bezüglich der Temperatur bei weitem nicht an die kältesten des letzten Jahrhunderts heran. Allein aus der Wassertemperaturanomalie des Atlantiks auf die Temperatur des kommenden Winters zu schließen, ist sehr spekulativ und ein sogenannter "Jahrtausendwinter" erst recht nicht wissenschaftlich zu begründen. Es sieht eher danach, das die Autoren, aus welchen Gründen auch immer die Aufmerksamkeit der Medien auf sich lenken wollten, was sie ja auch geschafft haben. Der Wunsch, die Witterung kommender Jahreszeiten vorherzusagen ist alt und es gibt auch für Europa zahlreiche diesbezügliche Versuche. Die Ergebnisse lauten dann aber sehr vorsichtig z. B. "wahrscheinlich eher etwas zu warm" oder "Es ist wahrscheinlich, dass der Januar in Mitteleuropa zu kalt und der Februar normal temperiert ist". Diese Beispiele sind aber nicht auf dieses Jahr bezogen, denn bisher sind mir noch keine derartigen Vorhersagen bekannt. Und die Erfolge derartiger Prognosen sind bislang sehr bescheiden.

Man kann lediglich aus der gegenwärtigen Wassertemperaturanomalie im Atlantik schlussfolgern, dass die Wahrscheinlichkeit eines weiteren kälteren Winters etwas größer ist als normal, aber das heißt noch nicht, dass es so wird und noch lange nicht dass es extrem kalt wird.

Man sollte sich also durch diese Diskussion nicht verrückt machen lassen, zumal Obstbau ja eher ein mittel - bis langfristiges Geschäft ist und man ohnehin nicht mehr auf ein solches Ereignis, wenn es denn kommen sollte, reagieren kann. Wichtiger ist meines Erachtens die mittelfristige Strategie. Bei Neuanpflanzungen sollte die Frostverträglichkeit auch bei globaler Erwärmung (ob die wirklich eintritt, ist durchaus nicht sicher) nicht vernachlässigt werden. Und selbst wenn es künftig etwas wärmer wird, mit sehr kalten Wintern muss man auch weiterhin rechnen.

Noch zwei Internetadressen, wo experimentell Jahreszeitenvorhersagen angeboten werden, die u.a. teilweise auf den Anomalien der Oberflächentemperatur des Nordatlantiks beruhen.

http://www.cpc.noaa.gov/products/analysis_monitoring/lanina/ensoforecast.shtml

http://meteoschweiz.admin.ch/web/de/klima/klima_morgen.html

Dagegen schätzt der Obstbauspezialist die Situation ernster ein und bezieht dabei historische Erkenntnisse ein:

„Die Sorgen sind berechtigt. Wir durchlaufen zur Zeit eine Phase abnehmender Sonnen-aktivität. Temperaturstürze auf unter -50 °C in Asien und unter -40°C während der letzten Winter haben uns gezeigt, was möglich ist.
Ein Sturmtief über Skandinavien, Finnland hatte im letzten Winter Temperaturen in dem Bereich unter -40°C, bräuchte wenige Stunden, um bei uns aufzuschlagen.

Was uns bisher den Hintern gerettet hat, war der Golfstrom.

Den Amerikanern hat es gefallen, diesen abzuschneiden. Ob und wann diese thermische Pumpe noch einmal anspringt, ist ungewiss.

Verschärfend für den Obstbau wirken der relativ nasse Sommer und Herbst, welche die Holz-Ausreife nicht ausdrücklich befördert haben. Unternehmen, die mit einem Sommerschnitt die Gehölze weiter geschwächt haben, müssen ab Temperaturen von - 28 bis -31 °C mit massiven Frostproblemen an den Gehölzen rechnen.

Die Empfehlungen die wir an die Unternehmen auf Anfrage abgeben sind eindeutig, wem es möglich ist, der sollte noch jetzt mit Kalium- und Magnesiumblattdüngung (3 + 3 kg -Nitrat/ 1000 l)+ eine 2. Düngung mit HAKA-phos rot 1% den Gehölzen helfen.  Die Angaben beziehen sich auf Kernobst, bei dem Steinobst sind die Mengen auf 2/3 zu begrenzen.

Mäuse im Herbst intensiv bekämpfen, Zäune wildsicher machen, Schnitt soweit aussetzen, bis erkennbar ist, wie hart der Winter zuschlägt, einen Schnitt an frostgeschädigten Bäumen dringend unterlassen und im Nachwinter mit Aminosol-Flüssigdüngung und Blattspritzung die Ausheilung der Schäden befördern. Ergänzende Startdüngung als Flüssiggaben, (2 % Lösung, 2l / lfdm.)  z. B. HAKAPhos rot kann helfen.

 Nun noch ein Zitat von Johannes Böttner, d. Ä.:     

" Der Winter 1879/80 hat ziemlich allgemein großes Unheil angerichtet, indem die Kälte 23-25°R. erreichte und viele wertvolle alte Obstbäume zu Grunde gingen. Das Schlimmste dabei war, dass im vorhergehenden Herbst die Nässe sehr groß und das Holz nicht richtig reif geworden war. ....  Es ist aber noch zu erwähnen, dass durch besondere Düngung alle Obstbäume widerstandsfähiger gegen Frost gemacht werden können und zwar nicht durch die einseitige Düngung mit Stoffen, die auf starkes Treiben hinwirken - dadurch werden sie nur empfindlicher - wohl aber werden sie härter, wenn stark mit Kalk und mit Kalihaltigem Dünger, Asche(Holzasche, A. d. R.), Kainit gedüngt wird."

(Quelle: J. BÖTTNER, Gartenbuch für Anfänger, 4. Auflage, 1900, Frostschaden, 337-340 Trowitzsch und Sohn, Frankfurt a. d. Oder)

Es kann sehr böse werden, wohl gemerkt kann. Für meinen Teil habe ich die Analysen der Veränderungen im Golfstrom sehr ernst genommen und  die Kulturführung seit August daraufhin eingestellt.“






















Impressum